Am 9. April 2025 befasst sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit einer Grundsatzfrage, die das Verhältnis zwischen nationaler Glücksspielregulierung und europäischem Binnenmarktrecht neu justieren könnte. Im Fokus steht die bislang ungeklärte Vereinbarkeit des früheren deutschen Online-Glücksspielverbots mit der europäischen Dienstleistungsfreiheit gemäß Artikel 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).
Bis zum Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags im Juli 2021 war das Angebot von Online-Casino-Spielen in Deutschland ohne explizite nationale Lizenz grundsätzlich verboten. Zahlreiche Anbieter mit EU-Lizenzen, insbesondere aus Malta, beriefen sich jedoch auf die europäische Dienstleistungsfreiheit – mit dem Argument, dass es in Deutschland kein realistisches Lizenzierungsverfahren für ihr Angebot gegeben habe. Diese Argumentation liegt auch dem aktuellen Verfahren mit dem Aktenzeichen C-440/23 zugrunde.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat den Fall dem EuGH vorgelegt, um klären zu lassen, ob das pauschale Verbot ohne ein gleichwertiges alternatives Lizenzsystem mit dem EU-Recht vereinbar war.
Die Entscheidung könnte erhebliche Auswirkungen auf die deutsche Rechtslage und laufende Gerichtsverfahren haben. Sollte der EuGH feststellen, dass das frühere deutsche Verbot gegen EU-Recht verstoßen hat, könnten tausende Spielerverfahren zur Rückerstattung verlorener Einsätze eine neue Dynamik gewinnen. Auch Glücksspielanbieter könnten sich rückwirkend auf ihre EU-Lizenzen berufen – mit potenziell weitreichenden Folgen für das Verständnis der Lizenzpflicht im grenzüberschreitenden Online-Glücksspiel.
Gleichzeitig könnte das Urteil auch über die Vergangenheit hinaus Bedeutung entfalten. In der Branche herrscht Uneinigkeit darüber, ob die Dienstleistungsfreiheit auch heute noch für Anbieter mit EU-Lizenz gilt, sofern sie in Deutschland keine Zulassung besitzen. Laut Branchenschätzungen stammen bis zu 80 Prozent des Online-Spielvolumens in Deutschland derzeit von nicht lizenzierten Anbietern.
Nach der Verhandlung wird der Generalanwalt des EuGH zunächst Schlussanträge vorlegen – eine rechtliche Einschätzung, die das spätere Urteil allerdings nicht bindet, aber oft als richtungsweisend gilt. Das endgültige Urteil des EuGH dürfte dann im Laufe der kommenden Monate folgen.
Unabhängig vom konkreten Ausgang des Verfahrens dürfte das Urteil des EuGH einen wichtigen Orientierungsrahmen für die rechtliche Bewertung von Online-Glücksspielangeboten im europäischen Binnenmarkt setzen – sowohl für nationale Gerichte als auch für Regulierungsbehörden und Marktteilnehmer. Ob sich daraus eine neue rechtspolitische Debatte über Zuständigkeiten, Harmonisierung und Vollzug entwickelt, bleibt abzuwarten.