Belgien hebt das Glücksspiel-Mindestalter auf 21 Jahre an – und erlebt eine massive Abwanderung junger Spieler in den Schwarzmarkt. Die Aufsicht warnt vor unerwarteten Nebenwirkungen.
Brüssel – In einem Interview mit dem Fachportal Focus Gaming News zog Magali Clavie, Präsidentin der belgischen Glücksspielkommission (Kansspelcommissie, BGC), eine Zwischenbilanz der jüngsten regulatorischen Entwicklungen. Sie sprach über die neuen Glücksspielregeln, die seit 2024 in Belgien gelten, sowie deren Folgen – darunter die Auswirkungen der Anhebung des Mindestalters, die Umsetzung eines strikten Werbeverbots und die Abwanderung junger Spieler zu illegalen Angeboten. Außerdem skizzierte Clavie die Prioritäten der Behörde vor einer geplanten Strukturreform im Jahr 2026, die eine stärkere Durchsetzung der Vorschriften, verbesserten Spielerschutz und eine Modernisierung des Regulierungsrahmens zum Ziel hat.
Das Jahr 2025 sei durch die Umsetzung zahlreicher neuer Glücksspielregeln geprägt gewesen. So traten strengere Werbebeschränkungen und Sponsorverbote in Kraft, das Mindestalter für alle Glücksspiele wurde auf 21 Jahre angehoben und Online-Spielangebote mussten klarer getrennt werden. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, den Markt sicherer zu machen und Spieler besser vor Missbrauch zu schützen. Gleichzeitig diente 2025 als Vorbereitungsphase für eine umfassende Reform der Aufsichtsbehörde, die von der Regierung angekündigt wurde. Laut Clavie soll die Glücksspielkommission ab Januar 2026 in den Zuständigkeitsbereich des Wirtschaftsministeriums überführt werden. Dadurch erhält der Wirtschaftsminister die direkte Aufsicht über die Behörde. Zudem wurden weitere Schritte eingeleitet, um das illegale Glücksspiel verstärkt zu bekämpfen – sowohl online als auch offline.
Begleitend hat die BGC ihre Zusammenarbeit mit anderen Regulierungsbehörden ausgebaut und ihre internationale Präsenz erhöht. Ein Kernstück ist das Gambling Regulators European Forum (GREF), in dem Clavie seit 2025 den Vizevorsitz innehat. Durch den verstärkten Austausch – etwa im Rahmen bilateraler Vereinbarungen mit anderen Ländern – sollen gemeinsame Maßnahmen gegen illegale Glücksspiele koordiniert und der Spielerschutz grenzüberschreitend verbessert werden.
Belgien hat im September 2024 das gesetzliche Mindestalter für alle Glücksspielformen einheitlich von 18 auf 21 Jahre erhöht. Diese Angleichung sei sinnvoll, da selbst vergleichsweise „harmlos“ geltende Spiele wie Sportwetten inzwischen stärker gamifiziert und somit für junge Menschen riskanter geworden seien – etwa durch Live-Wetten und Kombiwetten. Zwar sei es noch zu früh für ein endgültiges Fazit der Maßnahme, doch eines steht fest: Jährlich waren zuvor etwa 30.000 neue Spieler im Alter von 18 bis 20 Jahren auf legalen Angeboten aktiv – diese Gruppe darf nun nicht mehr legal spielen. Entsprechend stellt sich die Frage, was diese jungen Menschen stattdessen tun.
Erste Hinweise deuten darauf hin, dass viele der vom legalen Markt ausgeschlossenen Jugendlichen dennoch weiter zocken – jedoch auf illegalen Plattformen. Einer Umfrage der Glücksspielkommission aus dem Frühjahr 2025 zufolge gaben fast 40 Prozent der unter 21-Jährigen an, weiterhin an Glücksspielen teilzunehmen. Knapp die Hälfte der Befragten konnte sogar mindestens eine illegale Glücksspiel-Website namentlich benennen. Dies lasse darauf schließen, so Clavie, dass ein Teil der jungen Spieler ins illegale Angebot abwandert. Legal lizenzierte Anbieter verlieren in dieser Altersgruppe offenbar an Markenbekanntheit, während illegale Operatoren an Beliebtheit und Sichtbarkeit gewinnen.
Auch aus der Branche selbst kommen beunruhigende Daten. Der Belgische Verband der Glücksspielbetreiber (BAGO) schätzt, dass mittlerweile rund 65 Prozent der männlichen Spieler zwischen 18 und 21 Jahren nach der Altersanhebung auf unlizenzierte Glücksspielseiten ausweichen. Die Aufsichtsbehörde bestätigt zwar einen Trend zur Abwanderung, sieht die Lage aber etwas weniger dramatisch. Laut Clavie haben gemäß einer BGC-Studie etwa 20 Prozent der 18- bis 20-Jährigen schon einmal an illegalen Glücksspielen teilgenommen – „immer noch 20 Prozent zu viel, aber niedriger als die 65 Prozent, die die Industrie nennt“, betont sie. Nichtsdestotrotz zeigt sich in Belgien ein deutlicher Abwanderungseffekt junger Spieler zum Schwarzmarkt – ein Aspekt, der hierzulande bisher kaum Beachtung fand. Diese Entwicklung wirft ernste Fragen für den Jugendschutz auf, da sie nahelegt, dass strenge Zugangsbeschränkungen ohne flankierende Maßnahmen unerwünschte Nebenwirkungen haben können.
Belgien hat eines der schärfsten Werbeverbote für Glücksspiele in Europa eingeführt. Seit Juli 2023 sind fast alle Formen der Glücksspielwerbung in klassischen Medien untersagt; ab 2028 soll sogar Sponsoring im Sport vollständig verboten werden. Laut Clavie habe das generelle Werbeverbot bereits Wirkung gezeigt: Glücksspiele seien im Stadtbild, im Fernsehen und in der Presse deutlich weniger präsent. Allerdings erweist sich die Durchsetzung der Verbote in der Praxis als schwierig. So ist es den Anbietern zwar verboten, ihren Kunden Werbe-E-Mails oder SMS zu schicken, doch oft lässt sich schwer abgrenzen, ob eine Mitteilung rein informativ oder verdeckte Werbung ist. Einige Betreiber versuchen zudem, die Regeln zu umgehen, indem sie neue Markennamen und Logos kreieren und damit werben, um die Verbote zu unterlaufen.
Herausforderungen gibt es auch im grenzüberschreitenden Kontext. Internationale Sportverbände oder ausländische Organisationen dürfen mitunter weiterhin Sponsoring von Glücksspielanbietern annehmen, was belgische Lizenznehmer in eine wettbewerbsnachteilige Lage versetzt. Besonders problematisch: Das strikte Werbeverbot in Online-Kanälen könnte illegale Betreiber sogar attraktiver machen. Da lizenzierte Anbieter in Belgien etwa keine Werbung auf Social Media mehr schalten dürfen, nutzen schwarze Schafe diese Lücke und werben aggressiv im Internet – ungeachtet der Verbote. Die BGC registriert zahlreiche Fälle, in denen unseriöse Akteure die Markennamen bekannter belgischer Anbieter missbrauchen, um Nutzer auf betrügerische Websites zu locken.
Die belgische Glücksspielaufsicht setzt verstärkt auf internationale Zusammenarbeit, um gemeinsamen Herausforderungen zu begegnen. Jüngst wurde etwa ein Memorandum of Understanding (MoU) mit der neuen irischen Glücksspielbehörde geschlossen, das den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit erleichtern soll. Solche Abkommen stellen sicher, dass Daten sicher und datenschutzkonform ausgetauscht werden und klare Erwartungen für gemeinsame Aktionen definiert sind.
Generell ist Clavie überzeugt vom Mehrwert internationaler Kooperationen – ob im multilateralen Rahmen wie dem GREF oder bilateral. „Alle Regulierungsbehörden stehen vor ähnlichen Problemen und können viel aus den Erfahrungen anderer Länder lernen“, betont sie. Durch Bündelung von Wissen und abgestimmtes Vorgehen lasse sich das illegale Glücksspiel wirksamer bekämpfen und der Spielerschutz international verbessern.
Intern steht der Glücksspielkommission eine organisatorische Reform bevor. Clavie mahnt, dass die Behörde in ihrer aktuellen Form nicht ausreichend ausgestattet sei, um ihre Aufgaben vollumfänglich zu erfüllen. Derzeit verfügt die Kommission über lediglich 33 Vollzeitstellen, sogar weniger als im Jahr 2010, während das Aufgabenspektrum durch die Regulierung von Sportwetten, Online-Glücksspiel und Werbung erheblich gewachsen ist. Um die wachsenden Herausforderungen zu bewältigen, brauche die BGC dringend mehr personelle Ressourcen sowie größere Unabhängigkeit, etwa bei der eigenständigen Einstellung von Fachpersonal.
Die geplante Neuaufstellung der BGC soll Anfang 2026 greifen. Dann wird die Kommission – wie bereits erwähnt – in das belgische Wirtschaftsministerium eingegliedert. Von dieser Anbindung erhofft man sich eine Stärkung der institutionellen Strukturen und schnellere Entscheidungswege. Die Reformpläne zielen darauf ab, die Durchsetzung der Glücksspielregeln weiter zu verschärfen, den Spielerschutz zu verbessern und den Rechtsrahmen zu modernisieren. Die belgische Glücksspielaufsicht befindet sich damit in einem Wandel, der sie künftig noch schlagkräftiger gegen illegales Glücksspiel und zum Schutz der Spieler aufstellen soll.
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