Wenn Gaming zur Wette wird
Videospiele haben sich von simplen Arcade-Spielen zu milliardenschweren Entertainment-Ökosystemen entwickelt. Doch mit dieser Entwicklung sind auch Mechanismen entstanden, die nicht nur für Unterhaltung sorgen, sondern an klassische Glücksspiele erinnern.
Lootboxen, zufallsbasierte Belohnungssysteme in Spielen, stehen im Mittelpunkt einer kontroversen Debatte. Während die Gaming-Industrie sie als harmloses Feature bezeichnet, warnen Experten vor den psychologischen Risiken – insbesondere für junge Spieler. Doch was genau steckt hinter diesen Mechaniken? Wo liegt die Grenze zwischen Spiel und Glücksspiel? Und wie gehen Regulierer mit dieser Herausforderung um?
Lootboxen, auch „Beutekisten“ genannt, sind virtuelle Kisten, die Spieler innerhalb eines Spiels öffnen können. Der Inhalt ist jedoch zufällig und kann von wertlosen Gegenständen bis hin zu seltenen, spielentscheidenden Items reichen. In vielen Spielen lassen sich Lootboxen durch Echtgeldkäufe erwerben – ohne dass der Spieler vorab weiß, was er bekommt.
Ein typisches Beispiel ist die „FUT“-Mechanik in FIFA: Spieler können gegen Geld sogenannte Packs erwerben, die Fußballspieler enthalten. Die seltensten und stärksten Akteure erscheinen jedoch nur mit minimaler Wahrscheinlichkeit. Dies erinnert stark an klassische Glücksspielmechaniken, bei denen das „Glücksgefühl“ über Gewinn oder Verlust entscheidet.
Neben Lootboxen gibt es weitere Mechaniken in Videospielen, die dem Glücksspielprinzip folgen:
Gacha-Systeme: Ursprünglich aus Japan stammend, basiert dieses System auf digitalen Sammelkartenmaschinen. Spieler geben Geld aus, um zufällig Charaktere oder Gegenstände zu erhalten.
Skin Gambling: Hierbei werden kosmetische Skins (z. B. aus „Counter-Strike: Global Offensive“) auf externen Plattformen als Wetteinsatz genutzt – oft mit realem Geld.
Social Casino Games: Kostenlose Casino-Simulationen wie Poker oder Slots, die mit Mikrotransaktionen arbeiten und das Glücksspielerlebnis imitieren.
Studien zeigen, dass diese Mechaniken ähnliche psychologische Effekte wie Glücksspiel haben und insbesondere junge Spieler an riskantes Spielverhalten gewöhnen können.
Lootboxen und ähnliche Mechaniken nutzen psychologische Prinzipien, die auch in klassischen Glücksspielen zum Einsatz kommen:
Operante Konditionierung: Der Spieler wird für bestimmte Handlungen mit zufälligen Belohnungen verstärkt – ein Prinzip, das auch Spielautomaten nutzen.
Near-Miss-Effekt: Das Gefühl, „knapp gewonnen“ zu haben, motiviert Spieler, weiter Geld auszugeben.
Variable Belohnungsraten: Unvorhersehbare Belohnungen aktivieren das Belohnungssystem im Gehirn und können süchtig machen.
Laut einer britischen Untersuchung geben Spieler mit problematischem Glücksspielverhalten signifikant mehr Geld für Lootboxen aus als Gelegenheits- oder Nicht‑Spieler
Lootboxen werden nicht überall als Glücksspiel klassifiziert, obwohl sie drei zentrale Merkmale erfüllen:
Einsatz von Geld: Spieler investieren Echtgeld für eine ungewisse Belohnung.
Zufallsprinzip: Der Ausgang hängt von einer nicht beeinflussbaren Wahrscheinlichkeit ab.
Gewinnaussicht: Spieler erhalten begehrte Items mit variabler Wahrscheinlichkeit.
Juristisch bleibt das Thema jedoch ein Graubereich. Während Belgien und die Niederlande kostenpflichtige Lootboxen als illegales Glücksspiel einstufen, sind sie in Deutschland bislang nicht verboten. Ein richtungsweisendes Urteil fällte 2023 ein österreichisches Bezirksgericht, das FIFA-Packs als Glücksspiel einstufte und Rückerstattungen für betroffene Spieler anordnete.
Besonders bedenklich ist die steigende Zahl junger Menschen, die mit Glücksspielelementen in Berührung kommen. Eine schwedische Studie ergab, dass 87 % derjenigen, die als Teenager Lootboxen nutzten, später riskantes Glücksspielverhalten zeigten.
Viele Experten fordern daher eine strengere Alterskontrolle für Spiele mit Glücksspielelementen sowie eine bessere Aufklärung von Eltern und Jugendlichen.
Die Gaming-Industrie verteidigt Lootboxen als optionales Feature, das keinen Glücksspielcharakter habe. Der Verband der deutschen Games-Branche argumentiert, dass sie eine legitime Form der Monetarisierung seien und der Spielbalance nicht schadeten.
Tatsächlich versuchen einige Entwickler, transparenter zu agieren: Wahrscheinlichkeitsangaben für Lootboxen sind mittlerweile in mehreren Ländern Pflicht. Doch reicht das aus?
Während einige Länder Lootboxen bereits als Glücksspiel regulieren oder verbieten, gibt es in Deutschland noch keine einheitliche Regelung. Verbraucherschützer fordern:
Striktere Alterskennzeichnung und Jugendschutzmaßnahmen
Pflicht zur Offenlegung von Wahrscheinlichkeiten
Beschränkung von Echtgeldkäufen oder Kaufobergrenzen für Minderjährige
Derzeit liegt die Verantwortung oft bei Eltern und Spielern selbst. Doch die Debatte über eine schärfere Regulierung wird weitergehen.
Lootboxen und andere Glücksspielelemente in Videospielen haben die Branche verändert – mit positiven wie negativen Folgen. Während sie für Entwickler eine profitable Einnahmequelle darstellen, zeigen Studien, dass sie problematisches Spielverhalten fördern können. Besonders junge Spieler sind gefährdet, durch diese Mechaniken in ein Glücksspielverhalten hineingeführt zu werden.
Regulierungen in Europa zeigen, dass politische Maßnahmen möglich sind, doch ein globaler Konsens fehlt bislang. Es bleibt abzuwarten, ob die Gaming-Industrie selbst Verantwortung übernimmt oder ob gesetzliche Einschränkungen unumgänglich werden.
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